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Systemkomponenten, wie z. B. Lager, Federn etc. in Maschinen, werden oft deutlich vor dem Ende ihrer technisch möglichen Nutzungsdauer ausgetauscht und vorzeitig einer stofflichen Verwertung bzw. einer Entsorgung zugeführt. Die Verbundpartner wollen anhand ausgewählter Anwendungsfälle aufzeigen, dass eine dezentrale Zustandsbestimmung mit einer Prognose der Restnutzungsdauer zu einer längeren Nutzung führen kann und so einen Beitrag zur verbesserten Ressourceneffizienz leistet.

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Nachhaltigkeit statt schneller Austausch

Im Rahmen dieses Verbundvorhabens „LongLife“ werden zwei Use-Cases betrachtet. Zum einen die Antriebsspindel einer Einspritzeinheit von einer Schuhmaschine und zum anderen mechanische Komponenten eines industriellen Schnelllauf-tors. Bauteile in technischen Systemen, wie Lager, Zahnriemen und Federn, werden regelmäßig nach Wartungsplan ersetzt, obwohl sie teilweise noch ein Mehrfaches der bisherigen Dauer genutzt werden könnten. Ein Grund dafür ist häufig die Unsicherheit bezüglich des tatsächlichen Zustands der Komponenten und der zu erwartenden Restlebensdauer. Als weitere Barriere für die Weiternutzung kommt hinzu, dass die Geschäftsmodelle der beteiligten Unternehmen häufig nicht auf eine Weiterverwendung der Komponenten ausgerichtet sind. Hersteller haben häufig eher das Interesse, neue Produkte zu verkaufen, als die Weiternutzung gebrauchter Produkte zu unterstützen, nicht zuletzt aus Gründen der Gewährleistung.

Sicherheit der Lebensdauer

Das Projektkonsortium von „LongLife“ will die Barrieren für eine längere Nutzung technischer  Komponenten abbauen und damit zu einer deutlichen Ressourceneinsparung beitragen. Dies soll über die Kombination von technischen und betriebswirtschaftlichen Elementen erreicht werden. Zum einen werden Methoden und Werkzeuge für eine möglichst sichere Prognose der Restlebensdauer von gebrauchten technischen Komponenten entwickelt. Zum anderen sollen innovative Referenz-Geschäftsmodelle entstehen, die auf diese Prognosen aufbauen und eine Weiterverwendung, z. B. als kaskadierte Nutzung, für alle Beteiligten wirtschaftlich interessant machen.

Die Motivation der Anwendungspartner liegt darin, schnell eine Einschätzung zum Zustand der betrachteten Komponenten im Gesamtsystem zu erhalten. Darauf aufbauend kann dann beispielsweise entschieden werden, ob die Komponente noch länger genutzt und auf einen kostenträchtigen Einsatz von Service-Personal, insbesondere im Ausland, verzichtet werden kann. Ergänzend sollen den Nutzern der Komponenten als Service gegebenenfalls zusätzliche Hinweise für einen Not-Betrieb bis zum nächsten Service bereitgestellt werden.

 

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Ergebnisse (Stand Juni 2022)

In Absprache mit dem Rolltorhersteller Efaflex GmbH werden die für einen Ausfall relevanten Bauteile (Zugfeder, Zahnriemen und Gurt) näher betrachtet.

Dazu wurde ein Schnellaufrolltor zu Testzwecken im Laborbereich der Universität Bremen aufgebaut und in Betrieb genommen. Datentechnisch wurde über die Steuerungseinheit des Schnelllauftors das Auslesen verschiedenster Parameter, wie Motortemperatur, Drehzahl, Drehmoment etc. realisiert und visualisiert. Erste Erkenntnisse über den Zustand bzw. die Betriebsbedingungen der Bauteile konnten hiermit bereits gewonnen werden. 

Die verschleißbehafteten Komponenten an dem Schnelllaufrolltor sowie der Einspritzeinheit einer Schuhmaschine wurden sensorisch ergänzt, so dass nunmehr Versuchsreihen zur Zustandsüberwachung aufgenommen werden konnten. Dabei haben sich Herausforderungen aus der Datentechnik ergeben, da zum einen vorhandene Daten aus Steuerung (BDE) bzw. Antrieb zu kombinieren waren mit Daten aus der im Rahmen von LongLife entwickelten Sensorbox. Die Messwerte aus den Antrieben und der zusätzlichen Sensorik mussten zusammengeführt werden, wobei für den Datentransport das in der Umgebung der Anlagen gegebene Netzwerk der jeweiligen Anwender genutzt wurde. Dieses begrenzte die übertragbare Datenmenge und es musste eine Datenvorverarbeitung am Sensorknoten durchgeführt werden, um eine Datenreduzierung bei gleichzeitiger Erhaltung der Datenqualität für die sich anschließende Analyse aufrechtzuerhalten.

Das theoretische Modell für die Zustandsdiagnose von Bauteilen wurde weiterentwickelt. Aus der Fachliteratur und Expertengesprächen wurden die Grundlagen zusammengetragen und im Modell berücksichtigt. Die hieraus abgeleiteten Parameter für die Zustandsbestimmung werden nicht durchgängig direkt erfasst. Entsprechend wurden andere Messgrößen untersucht, die indirekt auf die benötigten Parameter schließen lassen. Beispielsweise wird für die physikalische Messgröße „Drehmoment“, der Stromverbrauch der Anlagen betrachtet.

Kerngedanke des Modells ist der Vergleich der Soll- und Ist-Verläufen über die Bauteillebensdauer. Liegen bekannte Soll-Verläufe der erfassten Parameter vor, wird die Bauteilabnutzung anhand der Ist-Verläufe und der ermittelten Abweichungen bestimmt. Beispielsweise wird aus einem bekannten Verlauf der Relaxation einer Zugfeder überprüft, ob sich die Federrate verändert hat. Weiterhin werden kritische Wertebereiche für ausgewählte Messgrößen bestimmt. Werte die in diesen Bereich fallen, werden festgehalten und der durch sie verursachte Schaden entsprechend der Quantität der Daten ermittelt. Ein Beispiel hierfür ist der kritische Bereich der relativen Luftfeuchtigkeit (>60%), in dem die Korrosionsbelastung stark zunimmt. Letztendlich soll mithilfe der Anomalieerkennung ein mögliches Fehlverhalten der betrachten Komponenten erkannt werden.

In einem Langzeittest am Rolltor werden derzeit bei der Analyse der erfassten Daten Veränderungen in den erhobenen Messgrößen festgestellt. Unteranderem konnte aus dem Verlauf des Drehmoments am Antrieb die Federlängung identifiziert werden. Mit steigendem Zyklusstand (Schließ- und Öffnungsvorgänge) sinkt das aufgebrachte Drehmoment des Antriebs und die Ursache hierfür ist die Materialermüdung der Feder und die damit einhergehende Veränderung der Federrate. Andere Hypothesen, wie z.B. die Veränderung der Drehzahlbeschleunigung mit fortschreitender Bauteilabnutzung, wurden verworfen, da hier keine Veränderung erkennbar war. Für die Bauteile Gurt und Zahnriemen wurde während des Langzeittest eine optische Zustandsüberwachung durchgeführt. Dabei wurde für den Gurt ansteigendes Ausfransen und Verfärben erkannt. Beim Zahnriemen wurden Eindruckskanten an den Zähnen erfasst. Zusätzlich zu den beschriebenen Veränderungen liegt der Zyklusstand der einzelnen Bauteile vor, sodass eine Zustandsdiagnose anhand der bekannten Soll-Verläufe durchgeführt wird.

Parallel zum Rolltor wurden Tests an der Antriebsspindel der Schuhmaschine bei verschiedenen Unternehmen durchgeführt. Definierten Zustände, wie z.B. der Betrieb mit einer verschmutzen Mischschnecke und Mischkammer, konnten in unterschiedlicher Kombination getestet werden. Die Analyse der Messdaten zeigte, dass die Zustände mithilfe des errechneten quadratischen Mittelwerts (RMS) erkannt und unterschieden werden können. Dieses mathematische Mittel wird aus der erfassten Wechselbeschleunigung berechnet und von der Sensorbox übertragen. Über diese Messgrößen kann auch der Prozessablauf interpretiert und zeitlich eingegrenzt werden. Weiter geben die erfassten Betriebsdaten der Anlage Aufschluss über die Belastungsdauer der Antriebsspindel im ausgewählten Zeitraum. Hierfür wird der Einschusszähler ausgelesen, der die gefahrenen Lastzyklen zählt.

Für die Zustandsdiagnose ist, wie beim vorab beschriebenen Anwendungsfall, der Abgleich zwischen dem aktuelle und dem neuwertigen Zustand notwendig. Aufschluss geben die erhobenen Messdaten, die zu dem bekannten Einbauzeitpunkt der Antriebsspindel abgerufen werden. Anhand des bekannten Einbauzeitpunkts der Antriebsspindel und der im Vorfeld beschriebenen Belastungsdauer kann ein Abgleich hinsichtlich der berechneten nominellen Lebensdauer durchgeführt werden. Weiteren Einfluss auf den Zustand der Komponenten hat die Betriebstemperatur, die ebenfalls erfasst wird. Der zulässige Maximalwert wird durch die geschlossenen, mit einer Feststoffschmierung versehenen Wälzlager in der Antriebsspindel bestimmt. Weiter wird mithilfe des erfassten Drehmoments die Belastung der Antriebsspindel überprüft, da dieses ebenfalls einen Einfluss auf die Restnutzungsdauer hat. Durch den Vergleich der genannten Parameter wird die Überschreitung der Ermüdungsgrenzbelastung der Antriebsspindel überprüft.

Parallel zu den eher technischen Fragestellungen wurden die Szenarien für Geschäftsmodelle weiterentwickelt. Diese unterstützen insbesondere den Maschinenhersteller dabei, die LongLife-Lösung seinen Kunden entsprechend seiner Wünsche in das Servicegeschäft einzubinden. Entsprechend der erstellten Szenarien für Muster-Geschäftsmodelle kann eine Prüfstation, z. B. als Teil der Wartungsarbeiten, eingesetzt und direkt im Rahmen eines bestehenden Wartungsvertrags inbegriffen sein. Alternativ wurden Szenarien betrachtet, bei dem die Kunden die Prognosen gesondert beauftragen (Prognosen as a Service) oder wo sie die Prognosen mithilfe einer mobilen Prüfstation selber aufnehmen. Letzteres kann insbesondere für Endkunden mit eigenem Instandhaltungspersonal interessant sein, um Kosten zu sparen und die Überprüfung der Maschinen zeitlich besser einzuplanen. Diese Ergebnisse wurden in einer prototypischen Webanwendung überführt, die über die LongLife-Website erreichbar ist.

Die Innovation des Projektansatzes

Der innovative Ansatz kombiniert eine dezentrale Erfassung relevanter Daten, eine KI-basierte, lernende Prognose über eine spezielle Plattform und die Möglichkeit, Geschäftsmodelle zu konfigurieren. So werden die Partner der Wertschöpfungskette zur Anwendung der Prognose und zur erforderlichen Datenbereitstellung motiviert. Im Ergebnis wird eine längere Nutzung technischer Komponenten gefördert, wie es den Zielen der Fördermaßnahme „ReziProK“ entspricht.


Publikationen

Abschlussbericht Teil I (Mai 2023)

Abschlussbericht Teil II (Mai 2023)

Zwischenbericht (Juni 2020)

 

Projektflyer der Fördermaßnahme (deutsch / englisch) (März 2021)

Die Projektflyer bieten einen Einblick in die Inhalte und Ziele der ReziProK Projekte und stellen jeweils erste Ergebnisse vor.

Projektblätter der Fördermaßnahme (deutsch) (Dezember 2019)

Die Projektblätter bieten eine Kurzübersicht über die einzelnen Projekte und deren Ziele.

 

Pressemitteilung  (Juli 2020)

Newsletterbeitrag (Oktober 2022)

 

Beiträge zu der ReziProK Transferkonferenz im Juni 2022

Poster (Juni 2022)

Präsentation (Juni 2022)

 

Beiträge zu der ReziProK Kick-off Veranstaltung im Dezember 2019

Poster Nr.1 (Dezember 2019)

Poster Nr.2 (Dezember 2019)

Präsentation (Dezember 2019)

 

Bildnachweis: DESMA Schuhmaschinen GmbH; CoSynth GmbH & Co. KG; BIK Universität Bremen